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Mein Grösi und so weiter

Paperback: 116 Seiten
Grösse: 12 x 19 x 1 cm
Auflage: 1 (8. Okt 2008)
Sprache: Deutsch
Preis: 24,80 CHF /15 Euro
zuzüglich Porto und Verpackung
(für die Schweiz CHF 2.00)

ISBN-13: 9783837067217
Verlag: Books on Demand GmbH


Mein Grösi und so weiter
Autor: Beat Nussbaumer

Leseproben:
1 Grösi, wie ich meine Grossmutter nannte
2 Baar / Höfliger (mehr ...)
3 Aktivdienst und erste Wohnung in Adliswil (mehr ...)

Ich war in der sechsten Klasse als mich mein Lehrer, Herr Knobel in einer Pause zu sich rief. Ich befürchtete, er hätte an meinen schulischen Leistungen etwas zu tadeln. Er aber sagte, er wolle nächstens mit meinen Eltern sprechen und ich solle sie fragen, wann es ihnen passe. Als ich dies meinen Eltern mitteilte, war die erste Reaktion meines Vaters: «Was hast Du angestellt?» Als dann der Lehrer kam, schickte mich die Mutter aus der Stube. Nach geraumer Weile rief man mich wieder hinein und sie fragte mich, ob ich gerne etwas Geld verdienen wolle. Ich könnte ab nächsten Montag für den Beck Höfliger jeweils nach der Schule Brot austragen und zwar jeden Tag, ausser sonntags. Ich bekäme dafür jeden Monat zehn Franken Lohn und täglich das Mittag- und Nachtessen und auch das Trinkgeld gehöre mir. Ich brauchte mich nicht lange zu besinnen. Nachdem mir mein Vater versicherte, ich könne den Lohn und auch das Trinkgeld für mich behalten, sagte ich begeistert ja.

Schon am nächsten Tag stellte ich mich bei Frau Höfliger vor. Ich kannte sie bis jetzt noch nicht, denn wir kauften das Brot nicht beim Beck Höfliger, sondern im nahen Konsum. Dieser Laden lag näher bei unserm Haus und dort bekam man erst noch Rabattstempel. Frau Höfliger schien mir eine freundliche, jedoch etwas resolute Frau zu sein. «Ich will es also mit Dir probieren. Du musst freundlich sein mit den Kunden. Und du musst gut aufpassen zum Geld und acht geben beim Herausgeben des Rückgeldes. Noch etwas musst du beachten: wir haben zwei verschiedene Brotsorten: Sauerteig- und Hefebrot. Sie sind etwas schwierig auseinander zu halten, denn äusserlich sehen beide Sorten fast gleich aus. Dass man sie trotzdem unterscheiden kann, hat das Sauerteigbrot drei- und das Hefeteigbrot nur zwei Querstriche über dem Laib eingebacken». Und sie zeigte mir den Unterschied an zwei Broten. «Dann haben wir Pfünderli, Zweipfünder und Vierpfünder». (Von Kilogramm zu sprechen war damals noch recht unüblich. So war zum Beispiel ein Zentner hundert Pfund und hundert Kilo waren ein Doppelzentner.) «An den schulfreien Nachmittagen (Mittwoch und Samstag) machst du eine grosse, an den andern Wochentagen eine kleine Runde» (Frau Höfliger sagte "Kehri"). In der ersten Woche geht Louis, der Lehrling mit Dir. Er ist ein Welscher, versteht aber gut deutsch und er wird dir alles zeigen». Dann schenkte sie mir einen Zweipfünder zum heimbringen.

Am folgenden Montag eilte ich nach der Schule schnurstracks zur Bäckerei, wo Louis bereits auf mich wartete. Ein Rückentragkorb (Chrätze) stand auch schon bereit, gefüllt bis obenhin mit Brotlaiben, zugedeckt mit einem weissen Tuch. Einen Geldbeutel und ein Notizbüchlein steckte sich Louis in den Hosensack und dann zogen wir los von Kunde zu Kunde: «Merke sie dir genau, dass du ja keinen vergisst». Auch ihre gewohnten Begehren solle ich mir merken. Bei den meisten war jemand anwesend und bezahlte gleich bar. Bei Kusters war niemand da, aber das sei meistens so, denn beide gingen zur Arbeit in die Fabrik. Louis legte das Brot ins Milchkästchen und machte eine Notiz im Büchlein. Ein einziges Pfünderli war noch in der ‹Chrätze›. Es war ein ganz bleich gebackenes, fast ohne Kruste. «Dieses bringen wir auf dem Rückweg der alten Vreni Galli». Mit ihrem fast zahnlosen Mund könne sie eine braungebackene Brotkruste nicht beissen. Wieder in der Bäckerei zurück, ging’s ans Abrechnen, zusammen mit Frau Höfliger. Gott sei Dank, es stimmte alles auf den Batzen genau. Louis hat auch ein paar Batzen Trinkgeld bekommen, die er ‹halb-halb› mit mir teilte; mein erstes selbstverdientes Geld. Frau Höfliger war zufrieden und sie fragte mich: «Hast du noch Hausaufgaben zu machen?», dann solle ich mich gleich dahinter machen, denn gleich nach Ladenschluss um sieben Uhr würden wir z’Nacht essen.

Da sassen wir also in der Stube am grossen Tisch: Herr und Frau Höfliger, ihre drei Kinder Josi, Trudi und Josefli, sowie Louis, der Lehrling, der Bäckergeselle Mathias und ich; also insgesamt acht Personen. Ida, die Köchin und Mädchen für alles hat zuvor schon in der Küche gegessen. Wie aber staunte ich über den reich gedeckten Tisch, und dies an einem gewöhnlichen Montagabend. Hat wohl jemand Geburtstag, fragte ich mich. Von daheim war ich solchen Aufwand nicht gewohnt. Wozu all das Geschirr und Besteck? Ich fühlte mich recht unbeholfen und da ich nichts falsch machen wollte, achtete ich erst genau, wie die andern mit Gabel, Messer und mit der Serviette hantierten, um es ihnen gleich zu tun. Nach kurzem Tischgebet schöpfte Frau Höfliger zuerst ihrem Mann, dann ihren drei Kindern und mir die Suppe in den oberen Teller, danach bediente sich Mathias, der Geselle und Louis, der Lehrling. (Beide hatten Kost und Logis im Haus des Meisters). So ging alles nach offensichtlich streng geregelter Rangordnung. Was nach der Suppe noch alles an Speisen auf den Tisch kam, weiss ich nicht mehr. Auf jeden Fall war einiges für mich Neues dabei. Nach dem Essen hatte ich Feierabend und wieder daheim, hatte ich recht viel zu erzählen über meinen ersten Arbeitstag und was in diesem Haushalt alles anders war als bei uns zu Hause. In der zweiten Woche kam Louis nicht mehr mit auf die Kehri. Schon fühlte ich mich ein bisschen als mein eigener Herr und Meister. Wie enttäuscht aber war ich beim Abrechnen des Geldes. Es fehlten, so glaube ich mich zu erinnern sechzig Rappen. Dabei habe ich doch immer genau aufgepasst mit dem Wechselgeld und auch aufgeschrieben wer nicht bezahlte. «Hast Du wirklich nichts für dich behalten?» fragte mich Frau Höfliger und schaute mir dabei forschend tief in die Augen. Stotternd versicherte ich, dass ich ganz sicher nichts für mich behalten hätte. Darauf beruhigte sie mich und sagte: Es ist schon gut, alles ist in Ordnung. Ich habe dich nur geprüft, ob ich dir vertrauen kann. Ich habe dir nämlich statt fünf Franken nur vier Franken und vierzig Rappen Wechselgeld mit auf den Weg gegeben. Also habe ich dich beschissen. Merke dir also den Spruch: Vertrauen ist gut, kontrollieren ist besser.
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Herausgeber:
Christa Nussbaumer
Erich Nussbaumer
Theres Nussbaumer

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